KOSMOPOLIS - Interkulturelle Zeitschrift aus Berlin 28-29/2015
Traumzeit
Anders als in den monotheistischen Weltreligionen – im Judentum, im Christentum und im Islam – aber auch im Buddhismus befand sich das Paradies für die ersten Bewohner des australischen Kontinents nie in einem nur durch den Tod erreichbaren Irgendwo. In ihren Vorstellungen diente allein das Leben der Aufrechterhaltung des Kontakts zur „Traumzeit“. Sie war es, aus der sie stammten, und die sie mithilfe ihrer Totemtiere – Krokodile, Schlangen, Leguane, Dingos oder auch Haie – sowie durch Rituale und Zeremonien aufsuchen konnten, um daraus Lebensenergie zu schöpfen. Nur wenn ihre Nachkommen in die „Gesetze“ dieser Rituale eingeweiht waren, konnte das Leben weitergehen. In unserer Ausgabe „Traumzeit“ suchen wir nach den künstlerischen, literarischen und philosophischen Wurzeln, die auch in diesem bisher so chaotischen 21. Jahrhundert das Recht zum Träumen erlauben. Von der „Zerstörung der Zeit“ spricht der koreanische Philosoph Byung-Chul Han, wenn er die „Logik der Effizienz“ unserer Epoche kritisiert. Er fordert eine eigene Zeit für Rituale und Zeremonien, für Erzählungen und - zum Träumen. In anderen Kulturkreisen wird die neue „Traumzeit“ als nostalgische Besinnung an „heile“ Lebensräumen verstanden. Manado in Nord-Sulawesi will mit neo-eklektizistischen Architekturgebilden die Erinnerung an die einst „schönste Stadt des indonesischen Archipels“ aufleben lassen. Auch beschwören indonesische Autorinnen in ihren aktuellen Romanen auf der Frankfurter Buchmesse 2015 die Epoche der Toleranz und Freizügigkeit unter den hinduistischen Herrschern der Vergangenheit, während sie gleichzeitig an die blutige Epoche zwischen 1965 und 1998 im unabhängigen Indonesien erinnern. In einem von Gewalttaten entstellten Mittelamerika träumt der nicaraguensische Schriftsteller Sergio Ramírez von einer Zeit des kreativen Friedens. Und der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado fügt diesem Wunschtraum seine Fotografien in „Genesis“ von einer gerade noch intakten Welt hinzu.
Ronald Daus * Lob der Langsamkeit. Alt-Äyptische Kunst aus der Feder des Emile Prisse d‘Avennes
Gelöschte Zeit. Fotografien von Yuri Toroptsov aus Sibirien
Peter B. Schumann * Hat Mittelamerika eine Zukunft? Ein Gespräch mit dem Schriftsteller Sergio Ramírez
Ursula Daus * „Ich wäre glücklich, wenn ich aus Manado stammte“. Rekonstruktion eines urbanen Traums in Sulawesi
Ronald Daus * In Memoriam: „Genesis“. Der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado
Auf dem Erlösungspfad: Burma-Impressionen zwischen Irrawaddy und Salween
In Berlin und anderswo:Timor Leste in der Bretagne Karelien Schwarz und Weiß unter der Sonne des Äquators Zu Ehren der Ahnen. Kunst vom Sepik „Indonesien“: Ehrengast bei der Frankfurter Buchmesse 2015 mit einem Foto von Beat Presser aus seiner neuen Publikation "Surabaya Beat" * Jean Paul Gaultier: Retrospektive in Paris
Neue Bücher: Im Untergrund Reiselust und Reisefrust In der Nostalgie-Falle Paradiesische Zustände Eiskalt
Buchrezensionen aus den Verlagen: Taschen/Köln, Ed. Panorama, Heidelberg; Kehrer, Heidelberg; Hirmer, München; Ullstein, Berlin; Horlemann, Angermünde; Union, Zürich;
Datum: | 2015 |
ISSN: | 1433-397X |
Seiten: | 98 |
Abbildungen: | 50 |
Buchformat: | 17 x 22,5 cm |
Preis: | 15.00 € |